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Das neue „Hass im Netz“-Gesetz und seine Auswirkungen in der Kinderschutzarbeit

 

Ein 4-jähriges Mädchen, das regelmäßig  miterleben muss, wie der Vater die Mutter schlägt. Ein 8jähriger, der dazwischen geht, wenn seine Eltern gewalttätig aufeinander losgehen.

Bisher galten solche Kinder, im Sinne unserer Gesetze nicht als Opfer. Eine Tatsache, die für Kinder, die Gewalt beobachten mussten, weitreichende Folgen hatte, denn der Zugang zu Unterstützungsleistungen wie Prozessbegleitung war nicht möglich. Während direkt betroffene Kinder oder solche, die die Ermordung eines Familienmitglieds beobachteten, juristische und psychosoziale Prozessbegleitung erhielten, mussten diese Kinder alleine mit der belastenden Situation fertig werden.

Das hat sich nun mit der Verabschiedung des neuen „Hass im Netz“-Gesetzes grundlegend geändert, in dem der Opferstatus auf minderjährige Zeugen ausgeweitet wurde. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass Kinder durch die Zeugenschaft von Gewalt oder einem Leben in ständiger Angst unter massiver psychischer Belastung stehen und  oftmals schwer traumatisiert sind. Liegt der Fokus auf der direkt von häuslicher Gewalt betroffenen Person, werden die Bedürfnisse der mitbetroffenen Kinder jedoch leicht vergessen.

Gerade Kinder, die im Rahmen häuslicher Gewalt zu Zeug*innen werden, stehen fast immer in einem Loyalitätskonflikt, der in den für die erwachsenen Bezugspersonen spezialisierten Einrichtungen nicht aufgefangen werden kann und diese besonders vulnerable Opfergruppe oft zum Verstummen bringt. Kindern mit diesem hohen Belastungsgrad und einer meist sehr ambivalenten innerfamiliären Beziehungsdynamik kann durch eigens für die Beratung, Begleitung und Behandlung von Kindern ausgebildete Fachleuten am wirksamsten geholfen werden. Ziel der eigenen Prozessbegleitung für diese  Kinder muss es sein, die wissenschaftlich erwiesenen schwerwiegenden körperlichen wie psychischen Folgen durch Zeugenschaft von Gewalt durch rasche, altersadäquate und fachlich fundierte Hilfsmaßnahmen abzumildern.  

Auch die Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes vor Cybermobbing, unbefugten Bildaufnahmen und Individualbeleidigungen aus diskriminierenden Motiven (§ 107c StGB und § 120a StGB) ist eine große Errungenschaft im Kampf gegen Gewalt an oder unter Minderjährigen.

In Folge der Gesetzesänderung bedarf es jetzt umfassender Aufklärungsmaßnahmen, damit Minderjährige und ihr familiäres und professionelles Bezugssystem über diese neuen Rechte Bescheid wissen. Umso mehr, als es gerade für Opfer von Gewalt oft schwierig ist, sich rasch die richtigen Informationen über Hilfemöglichkeiten zu holen. Konkret können das Schulungen der Polizei, anderer Opferschutzeinrichtungen oder der behördlichen KJH sein. Im Kontext von Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen wird es mit begleitender Bewusstseinsbildung notwendig sein, z.B. an Schulen hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz von Delikten wie Upskirting, Verletzungen des Bildnisschutzes, Hasspostings oder Cybermobbing aufzuklären. Auf diese Weise könnten die neuen Änderungen, zusätzlich zum Schutz für Opfer von Gewalt und Hass im Netz, auch zur Prävention dieser Art von Gewalt im Allgemeinen beitragen.