Formen von Gewalt

Gewalt an Kindern erkennen

Was ist Gewalt?

Gewalt kann in unterschiedlichen Formen auftreten. Das umfasst Drohungen und Verhaltensweisen mit der direkten oder indirekten Absicht zu schädigen oder der Inkaufnahme von Schädigungen und richtet sich gegen Personen. Gewalt erfolgt meist durch körperlichen Einsatz und/oder psychische und verbale Mittel und verursacht bei den Betroffenen körperliche und/oder psychische Verletzungen.

Manche Gewaltformen sind aktiv oder passiv, gegen sich selbst oder andere gerichtet und können einmalig oder wiederholt erfolgen.

Was unter Gewalt verstanden wird, oder wie gravierend beziehungsweise folgenreich Gewalt als solche erlebt wird, hängt sowohl von zahlreichen persönlichen als auch gesellschaftlichen Risiko- und Schutzfaktoren ab.

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche findet zu einem sehr großen Teil im Verborgenen statt. Nicht jede Gewalthandlung ist strafrechtlich verfolgbar, aber jede Form der Gewalt hinterlässt Spuren.

Formen von Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Gewaltformen Physische Gewalt

Physische (Körperliche) Gewalt

Körperliche (physische) Gewalt umfasst alle schweren und leichten Formen von Misshandlungen, die sich gegen den Körper richten:

  • Einsperren
  • Schlagen (auch Ohrfeigen und „Klapse“), Schütteln (u.a. von Babys und kleinen Kindern)
  • Stoßen, Treten, Zwicken, Prügeln und Boxen
  • An-den-Haaren-Ziehen
  • Gegen-die-Wand-Schlagen
  • Verbrennen (mit Zigaretten, mit heißem Wasser)
  • Attacken mit Waffen usw. bis hin zu Mordversuch oder Mord.
  • Gewaltsames Festhalten
  • Bewerfen mit Gegenständen
Gewaltformen Psychische Gewalt

Psychische Gewalt

Psychische Gewalt umfasst alle auf Integrität, Selbstwert und Würde der Person abzielenden Gewaltformen. Oft wird psychische Gewalt verbal ausgeübt, aber auch Ausgrenzung, nonverbale Abwertungen (z.B. Gesten und Handlungen der Verachtung) und die systematische Störung der persönlichen Integrität (Stalking, gerichtliche Gewalt, Verleumdung usw.) gehören dazu.

  • Demütigungen
  • Beschimpfen
  • Anschreien
  • Permanente Kritik
  • Bewusstes Reizen und Provozieren
  • Ausnützen der Kinder als Partnerersatz
  • Missachtung
  • Nichteinhalten von Abmachungen
  • Sadistische Erziehungsformen
  • Absichtliches Ignorieren und Anschweigen
  • Spott, Ironie und Sarkasmus
Gewaltformen Miterleben von Gewalt

Miterleben von Gewalt

Auch das Miterleben von Gewalt ist eine Form der psychischen Gewalt, beispielsweise das Miterleben von physischer oder psychischer Gewalt an nahestehenden Personen (Gewalt in der Familie), aggressives Verhalten gegenüber (Haus-)Tieren oder gegenüber Gegenständen (Werfen von Geschirr, Schlagen der Möbel usw.). Durch das Internet haben Kinder leichten Zugang zu gewaltvollen und verstörenden Inhalten und können diese schnell an Freund*innen weitersenden. Auch hier kann in Form von Videos oder Fotos Gewalt miterlebt werden. Miterlebte Gewalt hat dieselben negativen Folgen wie selbst erlebte Gewalt.

Gewaltformen Vernachlässigung

Vernachlässigung

Vernachlässigung beinhaltet die mangelhafte Versorgung, die Nicht-Betreuung und das Vergessen sowie das Vorenthalten von Unterstützung und Pflege. Vernachlässigung hat körperliche Komponenten, wenn z.B. Ernährung, Körperpflege und medizinische Hilfe nicht ausreichend gegeben werden, und psychische Komponenten, wenn Kinder nicht altersentsprechend beaufsichtigt, in ihrer Entwicklung

gefördert und unterstützt werden. Auch mangelnde emotionale Zuwendung und die Ignoranz kindlicher Bedürfnisse nach Nähe und interaktivem Kontakt, sowie fehlende Feinfühligkeit und Aufmerksamkeit im Umgang mit Kindern können psychische Vernachlässigung trotz materieller Bestversorgung bedeuten.  Eine neuere Form von Vernachlässigung und psychischer Gewalt stellt unverantwortlicher Medienkonsum dar. Dazu gehört zu langer, altersinadäquater Medienkonsum sowie der Konsum von gewaltvollen Inhalten.

Gewaltformen Sexuelle Gewalt

Sexuelle Gewalt

Sexuelle Gewalt benennt das sexuell motivierte Ausnützen des Machtgefälles und Abhängigkeitsverhältnisses zwischen einem Erwachsenen oder überlegenen Jugendlichen und einem Kind oder Jugendlichen sowie das bewusste, manipulative und absichtliche Missbrauchen eines Kindes zur Befriedigung der eigenen sexuellen Bedürfnisse.

Zu sexuell übergriffigen Handlungen und sexuellem Missbrauch zählen:

  • Anfertigung von Missbrauchsdarstellungen (Fotos/Filme) von Kindern und Jugendlichen
  • Zeigen von sexualisierten Bildern, Filmen oder eigenen Geschlechtsorganen (Exhibitionismus)
  • Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen – eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzen (§ 218)
  • Verletzung des Intimbereichs durch Blick und Bildaufnahmen (z.B. Upskirting, Down-blousing)
  • Sexuell gefärbte Sprache, abwertende sexualisierende Bemerkungen über den Körper des Kindes
  • Sexualisiertes Berühren des Kindes
  • Das Kind veranlassen, den Körper des Erwachsenen sexuell zu berühren
  • Kinder zu Zeug*innen von Erwachsenensexualität machen
  • Genitale, orale und anale Sexualpraktiken an Kind oder mit dem Kind
  • Vergewaltigung

Wann spricht man von sexuellem Missbrauch, wann von sexueller oder sexualisierter Gewalt?

Sexueller Missbrauch ist der gebräuchlichste Begriff, da er gesetzlich verankert ist. Kritik gibt es, weil er einen „richtigen Gebrauch“ von Kindern andeuten könnte. Alternativ wird sexuelle Misshandlung empfohlen, obwohl beide Begriffe Gewalt kaum benennen.

Sexuelle Gewalt umfasst sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person, ohne bewusste Zustimmung. Sie dient der Bedürfnisbefriedigung der Täter*innen und ist Ausdruck von Machtmissbrauch.

Sexualisierte Gewalt betont den Einsatz sexueller Handlungen zur Ausübung von Macht und Kontrolle. Sie kann auch physische und psychische Gewalt einschließen.

Gewaltformen Mediale Gewalt

Mediale Gewalt

Soziale Medien wie Instagram, Snapchat, TikTok, Facebook oder WhatsApp gehören zum Alltag vieler junger und erwachsener Menschen. Damit werden auch sexueller Missbrauch und Gewalt auf diesem Weg möglich. Durch den Gebrauch von Smartphones können zu jeder Zeit Aufnahmen von gewaltvollen (z. B. Smack Cam) und sexuellen Erlebnissen gemacht werden. Diese können als Druckmittel gegenüber anderen Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden (z. B. unerwünschtes Weitersenden intimer Aufnahmen bzw. von Sexting-Inhalten).

Es gibt Täter*innen, die über soziale Medien und Online-Spielforen Kontakt zu Kindern als potenzielle Opfer aufnehmen. Die Gesprächsanbahnung und Kontakt zu halten ist über das Internet oft einfacher möglich. Dort können Täter*innen Kinder manipulieren und unter Druck setzen.

Zu aktuellen Problematiken betreffend medialer Gewaltformen gehören beispielsweise Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen, Cyber-Stalking, Cyber-Mobbing oder Cyber-Grooming (= Anbahnung sexuellen Missbrauchs über netzbasierte Kommunikationswege).

Das gemeinsame Erlernen eines sorgfältigen, bewussten und gut informierten Umgangs mit den Möglichkeiten und Gefahren neuer Medien ist der beste Schutz gegen Übergriffe und unkontrollierbare Dynamiken im Internet.

Gewaltformen Ideologie Extremismus

Gewalt im Kontext von Ideologisierung und Extremismus

Gewalt im Kontext von Ideologisierung und Extremismus bezieht sich auf die Anwendung und Androhung von unterschiedlichen Gewaltformen, die physisch, psychisch, sexuell, strukturell, ökonomisch usw. sein können, um bestimmte Weltanschauungen/Überzeugungen/Ideologien durchzusetzen, zu verbreiten und/oder zu verteidigen oder das Rechtfertigen von Gewalt als Kultur- und Brauchtumspflege (Tradition). Dies umfasst beispielsweise:

  • die populistische Stigmatisierung bestimmter sozialer Gruppen im politischen Alltag, gerichtet gegen Frauen, LGBTIQA*, BiPoc, usw.
  • die weltweite geschlechtsspezifische Gewalt gegen Mädchen und Frauen, u.a. die Gewaltformen FGM, Gewalt im Namen der Ehre.
  • Gewalttätige Auslegung von Religionen, um gesellschaftliche Systeme rechtfertigen zu können. U.a. Christliche Kreuzzüge, Radikale Auslegungsformen des Islam, des Christentums und anderer Religionen inklusive Sekten.
  • Sexueller Missbrauch und sexuelle Gewalt durch die katholische und evangelische Kirche an Kindern und Jugendlichen
  • Zwangsheirat, Kinderheirat, Kinderhandel
  • Sexuelle Gewalt (u.a. Vergewaltigung) als Mittel der Gewalt in bewaffneten Konflikten
  • Folter und Freiheitsentzug
  • Vertreibung von Minderheiten
Gewaltformen Institutionelle Gewalt

Institutionelle Gewalt

Gewalt an einem Kind, die durch eine erwachsene Autoritätsperson in einem institutionellen Setting verübt wird, wird als institutionelle Gewalt bezeichnet. Als besonders problematische Charakteristika gelten der unangemessene Macht- und Autoritätsmissbrauch seitens der Täter*innen sowie die oftmals systematische und multiple Ausübung von Gewalt. Dazu gehört beispielsweise auch, wenn Kinder dazu angehalten werden, andere Kinder durch ritualisierte Handlungen zu demütigen und zu verletzen („Kaposystem“). Auch das Tolerieren und Nicht-Beenden von Übergriffen und Demütigungs- und Gewalthandlungen unter Kindern bzw. Jugendlichen, die eigentlich in Institutionen besonderen Schutz erhalten sollten, gilt als eine Form der institutionellen Gewalt.

Gewaltformen Strukturelle Gewalt

Strukturelle Gewalt

Strukturelle Gewalt findet auf der gesellschaftlichen Ebene statt. Sie umfasst soziale, politische oder ökonomische Strukturen, die Menschen schaden, weil diese ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können, benachteiligt werden und ihr Potential nicht ausschöpfen können. Strukturelle Gewalt umfasst ungleiche Machtverhältnisse, Einkommensungleichheit, unterschiedlicher Zugang zu Bildung, Armut, Rassismus, Sexismus, Ableismus und andere Formen der Diskriminierung. Übermäßiger Leistungsdruck im Bildungssystem, der die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gefährdet, wird als strukturelle Gewalt verstanden.

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